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„Störungen haben immer Vorrang “

von | 2. Mai 2021 | Allgemein

So lösen Sie Spannungen auf, beruflich wie privat

Dicke Luft im Team? Merkwürdige Untertöne im Gespräch mit der Freundin, den Nachbarn, dem Kunden? Dann halten Sie sich an das viel zitierte Prinzip der amerikanischen Psychologin Ruth Cohn: „Störungen haben immer Vorrang.“ Cohn hat einige Regeln erarbeitet, die zu einer besseren Atmosphäre zwischen allen Beteiligten führen und die im Berufs- wie im Privatleben funktionieren.

Halten Sie mit Freundlichkeit dagegen…

Wenn der Mitarbeiter im Online-Meeting mal wieder destruktiv an allen Vorschlägen herummäkelt oder der Partner beim Abendessen pampige Antworten gibt, schießen viele Menschen erst einmal zurück: „So lasse ich nicht mit mir reden!“ Doch das entspannt die Stimmung niemals, im Gegenteil! Ganz gleich, ob Sie sich an Tonfall oder Wortwahl stören: Verbuchen Sie das Ganze erst einmal unter „mit dem falschen Fuß aufgestanden“, „typisch“ oder „mal wieder unter Strom“.

Faktoren also, die mit Ihnen persönlich nichts zu tun haben. Entscheiden Sie sich bewusst, sich nicht von dem Gemotze anstecken zu lassen. Verkneifen Sie sich scharfe Worte. Lenken Sie das Gespräch in freundlichere Bahnen. Meist werden andere anwesende Personen dabei auf Ihrer Seite sein.

… oder erfüllen Sie das Bedürfnis Ihres Gegenübers, wahrgenommen zu werden.

Nicht immer bringt diese Taktik den gewünschten Erfolg, es kann Ihnen auch passieren, dass Ihr Gegenüber immer wieder eins draufsetzt. Der Grund: Ihre fortgesetzte Freundlichkeit gibt ihm das Gefühl, Sie sehen über seine Befindlichkeit hinweg. Dass Sie irgendwann ausrasten, nimmt er in Kauf – Hauptsache, Sie reagieren auf seine Provokationen! So erfüllen Sie das Bedürfnis Ihres Gegenübers, wahrgenommen zu werden:

  1. Geben Sie den sachlichen Inhalt des Gesagten mit eigenen Worten wieder.
  2. Fühlen Sie sich in die – oft nicht oder nur indirekt ausgesprochenen – Gefühle und Bedürfnisse des anderen ein. Am besten in Frageform: „Ich merke, du bist genervt. Stört es dich, dass …?“

Vielleicht wird der andere Ihre Vermutung bestätigen, vielleicht bekommen Sie eine völlig andere, unerwartete Auskunft.

Dauerhafte Spannungen: Führen Sie ein klärendes Gespräch

Ist die Atmosphäre dauerhaft belastet, kommen Sie um ein klärendes Gespräch nicht herum. Gehen Sie nicht davon aus, dass auch der andere das Klima schlecht findet. Sprechen Sie aus, dass Sie den Eindruck haben, in Ihrem Arbeitsteam habe sich allgemeiner Missmut breitgemacht. Oder dass Ihnen die Spannungen innerhalb der Hausgemeinschaft zu schaffen machen. Es erfordert Mut, diesen Schritt zu tun. Aber je länger Sie damit warten, umso schwieriger wird es, verhärtete Fronten aufzubrechen. Melden Sie offiziell Gesprächsbedarf an („Wir sollten vor dem nächsten regulären Projektmeeting ein Meeting einberufen, in dem es nur um die Situation des Teams geht:  Überschrift: Was läuft gut, was stört mich?“).

Wichtig:

Vereinbaren Sie einen Termin, auch wenn Ihr Gesprächspartner das am liebsten „gleich klären“ möchte. Dann geht er unvorbereitet in das Gespräch und das Risiko des Scheiterns steigt.

Bereiten Sie sich gut vor

Vollziehen Sie Entstehung und Entwicklung des Problems nach. Woran haben Sie zuerst gemerkt, dass etwas nicht stimmt? Wann war das? Gab es ein spezielles Ereignis, das die Stimmung kippen ließ? Welche Symptome stellen Sie aktuell fest: Interesselosigkeit, Rückzug, Informationsverweigerung, Aggressivität, die Suche nach Verbündeten …? Wer ist daran beteiligt? Wer indirekt betroffen?

Führen Sie all das aber nicht im Gespräch an. Detaildiskussionen bringen Sie nicht weiter. Wählen Sie zwei oder drei besonders typische Störungsindizien aus, etwa: „Ich habe den Eindruck, dass Sie nicht mehr ans Telefon gehen, wenn Sie meine Nummer auf dem Display sehen. Frau Fröhlich konnte Sie letzte Woche mehrfach erreichen, nachdem ich es zuvor vergeblich probiert hatte.“

Benennen Sie Ihre Gefühle

Auch wenn sich viele negative Gefühle angestaut haben – nutzen Sie das Gespräch keinesfalls dazu, Dampf abzulassen und damit die Stimmung weiter in den Keller zu treiben. Sagen Sie, wie Sie sich fühlen („Dass alle meine Vorschläge abgelehnt werden, macht mich einfach wütend“), statt etwa Ihre Aggression durch eine erhobene Stimme, Beleidigungen, Ironie oder Sarkasmus auszudrücken.

Lassen Sie sich von Ihren Zielen leiten: Was erwarten Sie von dem Gespräch? Was können Sie selbst dazu beizutragen?

Zwei kleine Kniffe, um die Selbstbeherrschung zu wahren:

Zählen Sie innerlich bis drei, wenn Sie eine sarkastische Bemerkung auf den Lippen haben. Sie merken, dass sich ein fruchtloser Schlagabtausch von Rede und Widerrede entspinnt? Dann stellen Sie vermehrt Fragen (und interessieren Sie sich auch für die Antworten).

Halten Sie Änderungen fest

Halten Sie – möglichst schriftlich – fest, was jeder von Ihnen in Zukunft konkret anders machen möchte. Seien Sie Realist. Selbst wenn Sie beide den allerbesten Vorsatz haben, einen Neuanfang zu machen, wird das keiner von Ihnen zu 100 Prozent durchhalten können. Lassen Sie sich nicht von jeder Kleinigkeit runterziehen, sondern schauen Sie, ob die Tendenz stimmt. Geben Sie positive Rückmeldung zu allem, was gut funktioniert.

Ein weiterer Vorteil:

Wenn Sie diese Tipps berücksichtigen, werden Sie merken, dass Sie innerlich entspannter reagieren und weniger zwischenmenschliche Störungen überhaupt entstehen.

Andreas Berwing

Andreas Berwing

Unternehmer, Trainer/Coach, Keynote-Speaker bei

Businesstraining-Hannover

Über 30 Jahre Erfahrung in unterschiedlichen Industriebereichen gesammelt: Konsumerindustrie, Unterhaltungselektronik, Automobilzulieferindustrie, Reifenindustrie davon mehr als 16 Jahre als Führungskraft

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