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Von Verkehrsregeln fürs Leben lernen

von | 4. Feb 2022 | Allgemein

Was ich anhand von Verkehrsregeln fürs Leben lernen konnte

 

Vorab: Heute alles im Du-Stil mit meiner persönlichen Geschichte, die dich zum Nachdenken bringen soll: privat, aber auch beruflich.

Ein Gespräch bewirkte scheinbar wahre Wunder

Einmal beobachtete ich eine absolute Spitzenführungskraft im Gespräch mit einem Mitarbeiter. Dieser war sehr niedergeschlagen, da er wohl immer wieder Schwierigkeiten mit seiner Lebenspartnerin hatte. Eine Woche später bekam ich in der Kantine mit, dass dieser Mitarbeiter die Tipps der Führungskraft mit unglaublichem Erfolg angewandt hatte.

 

Sein Verhältnis zu seiner Lebenspartnerin hatte sich innerhalb einer Woche um 180 Grad gedreht. Das hätte ich nicht im Geringsten für möglich gehalten, und deswegen bat ich die Führungskraft ebenso um ein Gespräch. Ich wollte wissen, mit welchen Tipps sie es geschafft hatte, das Leben dieses Mannes in so kurzer Zeit so nachhaltig zu verändern.

Wie hatte er das gemacht?

Auf meine Frage hin antwortete er: „Weißt du, Andreas, die Menschen sehen meist den Wald vor lauter Bäumen nicht.“

Na großartig; er sprach in Rätseln. „Schau mal, schon Konrad Adenauer sagte: „Lassen Sie uns doch zuerst die Begriffe definieren, bevor wir uns streiten“ Und, wo war jetzt der magische Trick?

In der Fahrschule

Er sah die Ungläubigkeit in meinem Gesicht und fuhr fort:

„Andreas, lass mich ein bisschen ausholen. Erinnere dich an die Theoriestunden in der Fahrschule. Speziell die Verkehrszeichen. Dort wurde sehr genau erklärt und definiert, was jedes dieser Verkehrszeichen bedeutet.

Beispielsweise beim Stopp-Schild weiß jeder deutsche Fahrschüler, dass die Reifen vollständig zum Stehen kommen müssen, man langsam bis zur Sichtlinie vor rollt, dann rechts und links schaut und erst, wenn nichts zu sehen ist, die Straße überquert wird.

Ja, ich erinnerte mich. Aber worauf wollte er hinaus?

„Jetzt meine Frage: Was sind denn eigentlich Verkehrszeichen?“ Na ja, einfach Zeichen, die die Regeln vorgeben. Er korrigierte mich:

„Nein. Verkehrszeichen sind Symbole, die eine feste Bedeutung haben.“

Symbole, die eine feste Bedeutung haben? Ich dachte darüber nach. Ja, stimmt. Jedes einzelne Verkehrszeichen ist ein eigenes Symbol mit einer fest definierten Bedeutung. Und nun?

„Nun habe ich eine Frage an dich, Andreas: Was sind denn eigentlich Wörter?“

Dann tat er etwas Gemeines: Er hielt einfach den Mund, sagte nichts und zwang mich, nachzudenken. Es dauert eine ganze Zeit, doch dann begriff ich es:

„Wörter sind auch nichts anderes als Sprachsymbole, die eine feste Bedeutung haben!“

Er sagte „Genau“. Und dann denk mal darüber nach, wie unser Straßenverkehr wäre, wenn nicht alle Fahrschüler jedes Verkehrszeichen sehr genau definiert bekämen.“

Ich antwortete: „Na ja, es wäre wahrscheinlich völlig chaotisch, so wie in China oder in Indien…“ Er gab mir recht.

 

Die gemeinste aller Fragen, die mein Leben veränderte

Doch dann bereitete er die gemeinste aller Fragen vor: „Also, Andreas, wir halten fest, wenn man die Bedeutung der Symbole im Straßenverkehr nicht definiert, führt das zu Chaos im Straßenverkehr.“

Ich nickte. „Okay, aber wozu führt es, wenn man allen Menschen die wichtigsten Kommunikationssymbole (Wörter) nie genau definiert, sondern die Menschen diese aus Zusammenhängen erraten müssen?“

Zunächst verstand ich nicht vollständig. Ich fragte also nach, wie er das genau meinte. Er antwortete: „Na ja, Andreas woher kommen denn die Definitionen der Straßenschilder? Aus der Straßenverkehrsordnung. Dort werden sie definiert. In der Fahrschule werden diese Definitionen dann gelehrt. Und was ist denn jetzt die Straßenverkehrsordnung für Wörter?“

 

Ich stand wie auf dem Schlauch. Er sagte: „Die Straßenverkehrsordnung für Sprachsymbole (genannt Wörter) sind die offiziellen Wörterbücher der deutschen Sprache!“

Puh! Es dauert eine Weile, bis diese Aussage bei mir durchsicherte. Er gab mir schon zu denken, aber das war irgendwie ein völlig neuer Dankansatz für mich. So brauchte ich eine Zeit, um mich damit anzufreunden. Aber er hatte recht.

In meiner ganzen Schulzeit hatte ich nicht ein einziges Mal „die Straßenverkehrsordnung“, nämlich den Duden oder ein sonstiges Wörterbuch, gezückt. Die Wortbedeutungen dagegen hatte ich immer (wie alle meine Mitschüler auch) nur aus den Zusammenhängen erraten.

Doch langsam begann ich, das Ausmaß zu verstehen:

Eltern, die Wortdefinitionen erraten hatten, gaben diese (richtig oder falsch erraten) an ihre Kinder weiter. Die erfanden noch etwas hinzu, und somit war das Chaos perfekt.

Mir war aber damals noch in keiner Weise bewusst, wie weitreichend diese Fehler das Leben von Millionen von Menschen negativ beeinflusste. Was mich zu jenem Zeitpunkt jedoch viel mehr interessierte: Wie genau hatte er denn jetzt dem Mann mit den Beziehungsproblemen von Anfang geholfen?

Subjektive Definitionen (jeder hat seine eigene Definition)

„Andreas, dieser Mann sagte, dass seine Frau ihm immer vorwerfe, dass ihre Beziehung nicht gut sein. Daraufhin bat ich ihn, mir doch einmal zu definieren (gemäß Adenauer), was er denn unter „Beziehung“ verstand.

Er erzählte mir dazu ausführlich seinen Gesichtspunkt, wie aus seiner Sicht eine Beziehung sein sollte und was eine Beziehung ist, und verstand überhaupt nicht, was seine Frau die ganze Zeit zu nörgeln hatte. Und das frustrierte ihn unglaublich.

Ich schrieb also seine Gedanken mit und machte mir Notizen, ohne die Gesichtspunkte des Mannes in irgendeiner Form zu werten.

Als er fertig war, erzählte ich ihm einfach nur die gleiche Story über den Straßenverkehr wie dir gerade, Andreas, und bat ihn um eine Sache:

Jetzt frage doch bitte mal deine Partnerin, und möglichst ausführlich wie sie denn eine gute Beziehung definiert.  Und verhalte dich genauso wie ich: Sei interessiert und werte nicht die Meinung des anderen.

Der Mann tat dies und stellte fest, dass eine Frau eine ganz andere Definition (Vorstellungen) von einer Beziehung hatte. Seine Frau sagte zum Beispiel, dass sie eine gute Beziehung daran erkenne, dass der Mann ihr großen Respekt entgegenbringe.  Und wenn ein Mann seiner Frau nicht die Autotür beim Einsteingen aufhalte, empfinde sie das als äußerst respektlos etc.

Nachdem der Mann die Frau vollständig verstanden hatte, fragte er sie: „Schatz, ist es okay, wenn ich dir mitteile, wie ich bisher eine gute Beziehung definiert habe?“

Und natürlich war die Frau jetzt auch sehr offen dafür. Sie haben nur ihre Verkehrszeichen und Verkehrsegeln einheitlich aufeinander abgestimmt.

Ich begann zu verstehe, jedoch begriff ich das ganze Ausmaß dieser Sichtweise erst viele Jahre später vollumfänglich.

Wörter sind die Verkehrszeichen im zwischenmenschlichen Verkehr.

Gehe nicht davon aus, dass du die Definition kennst, wenn du sie nicht in einem offiziellen Wörterbuch verifiziert hast. Oft kennt man nur eine oder zwei Definitionen von insgesamt sieben.

Beispielsweise heißt das Wort „zurichten“ in einer Definition „für einen bestimmten Zweck aufbereiten“, in der zweiten Definition „verschandeln“.

Das ist sehr unangenehm, wenn du davon nur eine kennst. Außerdem solltest du nicht davon ausgehen, dass die anderen die Definitionen kennen. Deswegen solltest du, bevor du dich aufregst, erst einmal die Definitionen aufeinander abstimmen!

Zusätzlich gibt es auch noch subjektive Definitionen; denn jeder definiert „schön“ oder „gut“ völlig anders.

Ich hoffe, dass diese kleine Geschichte dich zum Nachdenken und zum Handeln anregt, um deine Verkehrsregeln im privaten und beruflichen Bereich zu überdenken.

Andreas Berwing

Andreas Berwing

Unternehmer, Trainer/Coach, Keynote-Speaker bei

Businesstraining-Hannover

Über 30 Jahre Erfahrung in unterschiedlichen Industriebereichen gesammelt: Konsumerindustrie, Unterhaltungselektronik, Automobilzulieferindustrie, Reifenindustrie davon mehr als 16 Jahre als Führungskraft

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