Gegen das Emotionsdefizit bei zu viel virtueller Kommunikation:
So motivieren Sie Ihre Mitarbeiter mit „Geschichten“
Beispiel: Der Kern des Erfolgs
Burckhard Böttger starrt grübelnd auf den heimischen PC. Seit Stunden bereitet er sich auf die Präsentation des Projektberichtes seiner Abteilung vor. Sein Kopf schwirrt vor Zahlen, Tabellen und Grafiken.
„Irgendwie fehlt mir der rote Faden. Wie bringe ich alle diese Fakten so rüber, dass nicht die Hälfte der Teilnehmer gleich zu Beginn meiner Ausführungen abschaltet?“
Seine Tochter Sabine schaut ihm kritisch über die Schulter.
„Im Studium erarbeiten wir gerade das Thema Storytelling. Ich weiß ja, dass du immer meinst, dass dieser neumodische Kommunikationskram nur eine Eintagsfliege ist, aber Leute mit Geschichten zum Zuhören zu bringen und sie dadurch zu motivieren ist eine Methode, die so alt ist wie die Menschheit selbst.“
Burckhard Böttger schaut erschöpft zu seiner Tochter:
„Du weißt ja, dass bei uns im Unternehmen gerade viele neunmalkluge Jungspunde aufstreben. Ich bin echt unter Druck, da mitzuhalten. Ausnahmsweise wäre ich für jede ‚neumodische‘ oder auch ‚steinzeitliche‘ Methode dankbar.“
Sabine Böttger muss grinsen: „Gut, dann lass dir mal von deiner neunmalklugen Tochter ein paar Tipps geben. Das Ziel ist, dass du deine Zuhörer nicht mit PowerPoint quälst, sondern mit einer Geschichte motivierst – und das nicht nur bei Präsentationen.“
Immer noch ratlos, schüttelt Burckhard Böttger den Kopf:
„Aber die Zahlen sind doch der Kern des Erfolgs.“ „Hier liegt dein erster Denkfehler!“, korrigiert Susanne ihren Vater lächelnd. „Euer Erfolg liegt im Engagement aller Beteiligten. Und jetzt machen wir den PC aus, und du erzählst mir mal, was in deiner Abteilung in der letzten Projektphase alles so los war.“
Sabine Böttger hat völlig recht. Wir verfügen zwar heute über zahlreiche Wege der Kommunikation. Sprache, Schrift, Zeichen, Gebärden und vielfältige elektronische Medien erleichtern den Kontakt untereinander. Diese Vielfalt ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass unser Gehirn Informationen immer noch auf die „gute alte Art“, unter Einfluss von Emotionen, verarbeitet.
Unser Gehirn ist auf Geschichten trainiert
Seit über 100.000 Jahren ist das menschliche Gehirn auf die Verarbeitung von Informationen aus Geschichten trainiert. Erst seit ungefähr 10.000 Jahren nimmt es Informationen zudem aus der Schrift auf, und seit wenigen Jahrzehnten muss es sich zudem noch um die Informationsverarbeitung aus digitalen Medien bemühen.
Gute und vor allem wahre Geschichten bieten einen unmittelbaren Zugang zu den Gefühlen der Zuhörer.
Sie erreichen Hirnareale, zu denen bloße Zahlen und Fakten keinen Zugang haben. Geschichten, die uns emotional wirklich bewegen, werden im episodischen Gedächtnis gespeichert.
Das ist derselbe Bereich, in dem wir auch unsere Erfahrungen speichern. Fragen Sie sich selbst:
- Wer hat Sie als Kind am meisten beeindruckt?
- Wer konnte besonders gut Geschichten erzählen?
- Welcher Lehrer ist Ihnen noch in Erinnerung?
- Wer konnte Unterrichtsinhalte am spannendsten vermitteln?
Wir alle sind mit Geschichten groß geworden – und auch bei Erwachsenen genießen gute Erzähler einen hohen Stellenwert.
Storytelling will nicht manipulieren, sondern bewegen
Den Begriff „Storytelling“ verbinden wir oft zunächst mit der Werbebranche. Und wird in der Werbung nicht versucht, den Kunden mit emotionalen Geschichten zu manipulieren? Was hat eine solche Methode dann im Team verloren?
Werbung und Führung haben eines gemeinsam. Beide möchten ihr Produkt bzw. ihr Anliegen „an den Mann“ bringen. Klar ist, dass sowohl Werbung als auch Führungskräfte nur dann nachhaltig erfolgreich sind, wenn sie mit der Zielgruppe in einen echten Dialog treten.
Die Geschichte muss an die realen Interessen „andocken“
Überlegen Sie: Für welche Geschichten sind Sie selbst (in welchen Situationen) empfänglich? Was zeichnet eine Geschichte aus, die Sie wirklich emotional erreicht? Der Flyer des neuen Gartencenters wird höchstwahrscheinlich ungelesen im Müll landen, wenn Sie selbst keinen Garten haben. Der Radiospot der Versicherungsagentur findet eher Gehör, wenn Sie das Thema aktuell beschäftigt, und der rührende Film über das verwaiste Hundebaby sorgt nicht zwangsweise bei jedem für feuchte Augen.
Kann eine Geschichte, ganz gleich, ob fiktiv oder aus dem Leben, nicht an den realen Interessen und Erfahrungen der Zuhörer andocken, bleibt sie ohne nachhaltige Wirkung. Schlimmer noch: Die meisten Menschen entlarven intuitiv schnell die Intention des Gegenübers.
Manipulationen führen zur Abwehr und lassen jeden Motivationsversuch ins Leere laufen.
Treffender als der französische Schriftsteller und Flieger Antoine de Saint-Exupéry kann man die Wirkung guter Geschichten kaum beschreiben:
„Wenn du ein Schiff bauen willst, dann rufe nicht die Menschen zusammen, um Holz zu sammeln, Aufgaben zu verteilen und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem großen, weiten Meer.“
Für Sie als Führungskraft liegt im Storytelling eine Möglichkeit des lebendigen Austausches mit Ihrem Team. Nutzen Sie wahre Geschichten, um
- Wissen mit Ihren Mitarbeitern zu teilen,
- gemeinsame Werte zu (v)ermitteln,
- miteinander in Beziehung zu treten,
- an Erfolge zu erinnern und
- sich gegenseitig zum Handeln zu ermutigen.